
Mit etwas Wehmut Abschied vom idyllischen See-Biwak, aber immerhin bei gutem Wetter aufgebrochen. Recht bald eine wieder abenteuerliche Flußüberquerung… Das dort angebrachte Seil hing zu tief für eine Rucksack-Seilbahn, also Waten mit Gepäck. Ziemlich wackelig, aber leistbar. Böse: Kaum sind die Schuhe wieder angezogen und paar Schritte zurückgelegt, kommt das nächste Wasserhindernis. Diesmal überwog die Faulheit – Schuhe angelassen, einen jungen Baum als Stütze und dann über einen verdammt rutschigen Baumstamm balanciert. Elegant sah es bestimmt nicht aus…

Schnell begann wieder ein brachialer Anstieg. Auffällig: bisher (und übrigens auch später, wie ich jetzt weiss…) sind so gut wie alle An- und Abstiege faktisch rechtwinklig zu den Höhenlinien – also so steil, wie es die Topographie eben hergibt. Keine Serpentinen, keine schrägen Anstiege – immer schön direkt hoch oder runter. Warum nur?
Der erste Anstieg ist noch erträglich durch die Tatsache, dass er parallel zu einer beeindruckenden Kaskade von Wasserfällen verläuft, das Auge genießt.

Nach diesem ersten Anstieg kommt man das erste Mal in eine Passage, die den Trail nicht immer eindeutig erkennen lässt – kleine Pfade und Wildwechsel führen seitwärts, Blazes fehlen, jede Menge Windbruch.
Die erste mögliche Biwakstelle wäre Montagne a Valcourt, das ist dann doch zu nah, also geht es nach Rast und Imbiss weiter. Natürlich mit weiterem Anstieg… Auf der Höhe angekommen, bietet sich immer wieder Aussicht auf das Ziel des Tages, den Lac Matane.
Bevor der erreicht ist, gibt es jedoch noch einen knochenharten Abstieg: schlammig, verblockt, nicht endend. Zusätzlich “gewürzt” wird er durch die bisher größte Dichte an deer flies – regelrechte Schwärme, die dem Wanderer ausdauernd folgen und ihm Häppchen für Häppchen aus der Haut reißen. Man hat ständig die Wahl: entweder mit Stöcken vorsichtig und halbwegs gelenkschonend laufen – oder eine Hand zum Fliegentöten frei halten…

Immerhin ein Lichtblick auf dem Abstieg: ich scheuche einen Elchbullen auf, der dann zügig und mit mächtigen Krawall durch das Unterholz verschwindet. Man fragt sich, wie die mit ihrem mächtigen Geweih durch all dieses Dickicht kommen…
Die Ankunft am See ist dann durch eine gewisse Erschöpfung geprägt, eine Pause kommt gelegen. Der Biwakplatz ist einen reichlichen Kilometer off trail – der zieht sich, und es beginnt zu regnen.
Der Biwakplatz ist bevölkert – ein junges französisches Paar, die wollen ein Jahr work & travel hier absolvieren und stimmen sich mit einer Wanderung durch das wildlife reserve ein. Sehr respektabel! Im Shelter baut grad ein junger Kanadier ab, der ist mit dem Rad von Toronto (!) gekommen und macht hier einige Tageswanderungen. Als er von meiner Tourplanung erfährt und den Rucksack anhebt, zollt er dem älteren Herrn Respekt: “Sir, you inspired me to try and walk this trail completely!” Geht doch runter wie Öl 🙂
Zahlen: Zwei Tagesetappen zusammengelegt. Strecke grad mal knapp 16 Kilometer… Aber 1300m Anstieg, 1400m Abstieg.